Remote Control Cable Cam

Remote Control Cable Cam

Transformers - vom RC-Modellauto zur ferngesteuerten Seilkamera

Nach den ersten Versuchen mit einfachen Cable Cams, die alleine durch Schwerkraft angetrieben an einem gespannten Seil bergab rauschen, zeigten sich auch die Defizite dieser Variante.

Die Geschwindigkeit lässt sich dabei fast ausschließlich durch den Winkel des gespannten Seils beeinflussen, je steiler die Neigung, desto schneller der Kameraschlitten (Berichte zu zwei Varianten findet ihr hier: Cable Cam #1 und Cable Cam #2).

Dass die Kamera sich dabei über ein längeres Stück genau in der richtigen Relation zum Biker bewegt, ist fast schon Glückssache - der Startzeitpunkt entscheidet über Top oder Flop.

Abhilfe kann da nur eine ferngesteuerte Seilkamera schaffen; ein Elektromotor muss für den Antrieb sorgen, die richtige Geschwindigkeit lässt sich dann per Remote Control regeln. So ist man komplett unabhängig vom Gefälle, das Seil kann also auch an einem flachen Streckenabschnitt gespannt werden.

Einsatzfähige Cable Cams werden als professionelles Filmproduktionszubehör angeboten, sind aber eher nicht bezahlbar. Auf Youtube findet man ziemlich viele Videos mit Eigenbau-Konstruktionen, als RC-Laie schreckt man vor so einem Projekt aber eher zurück.

Remote Control Cable Cam
Transformers - die Basis für den Umbau bildete ein Rhino II Buggy von Conrad Electronic

Es sei denn man findet eine halbwegs einsteigertaugliche Lösung: Warum nicht versuchen aus einem ferngesteuerten Modellauto eine Cable Cam zu bauen? Die Dinger fahren vor- und rückwärts, genau das ist ja gefragt. Anstatt auf Antriebsräder müsste sich die Motorkraft auch auf ein Seil übertragen lassen und die Lenkung ließe sich sicher irgendwie zum Schwenken der Kamera benutzen. Also auf zum Modellbau-Store und die Regale checken.

In so einem ferngesteuerten Fahrzeug ist ne Menge drin, nicht nur Motor, Servo, Steuerungselektronik und Empfänger, sondern auch einiges an Bauteilen, die man für die Eigenkonstruktion benötigt. Schrauben, Lager, Zahnräder, Wellen, Platten und Halterungen - möglichst günstig mit vielen verwendbaren Elementen war die Devise.

Die Wahl fiel auf einen Buggy mit Allradantrieb und Einzelradaufhängung samt Mini-Öldruckstoßdämpfern - dieses Teil musste es einfach sein. Zusätzlich zu den 80 EUR für das Modell kamen 38 EUR für eine 2-Kanal-Fernsteuerung inklusive 8 AA-Batterien hinzu, sowie ein 7,2 Volt Fahrakku samt passendem Ladegerät für zusammen ca. 42 EUR. Macht 160 EUR für einen einsatzbereiten RC-Buggy, der natürlich erst Mal ne Runde über den Hof gejagt wurde.

Dann ging es ans Zerlegen und Überlegen. Was lässt sich wie verwenden? Welche Teile fehlen? So entstand die Einkaufsliste für den Baumarkt. Ein ca. 65 Zentimeter langes Vierkant-Buchenholz sollte als Basis dienen, mit 2 cm Profilstärke stabil genug für Achsbohrungen und Anbauteile.

Zwei kugelgelagerte Seilrollen dienen als Tragrollen, der große Achsabstand stabilisiert den Schlitten beim Anfahren und Bremsen (geringeres Wippen in Fahrtrichtung). Der Antrieb muss über eine dritte Rolle erfolgen, die genug Reibung am Seil erzeugt (Umschlingungswinkel, Reibungswiderstand und die Ablenkung vom normalen Seilverlauf zwischen den Tragrollen nach oben sind dabei die bestimmenden Faktoren).

Die Ablenkung vom normalen Seilverlauf muss ausgetestet werden, denn bei gespanntem Seil lastet unter Umständen ein enormer Druck auf der Antriebsrolle. Zu wenig Druck = das Seil rutsch durch, der Schlitten schafft keine Steigungen. Zu viel Druck = der Motor ist überlastet und kommt nur ruckelig in Fahrt.

Remote Control Cable Cam
Die Antriebsrolle muss ausreichend Reibung aufs Seil bringen, um Schlupf zu vermeiden. Eine Seilrolle mit aufgezogenen O-Ringen oder eine weiche Möbelblockrolle mit eingefräster Nut haben bestens funktioniert. Als Antriebswelle wurde eine M5 Inbusschraube verwendet, die auf beiden Seiten von Kugellagern abgestützt wird.

Als Antriebsrolle kann man z.B. eine Seilrolle verwenden, in deren Lauffläche drei O-Ringe gespannt werden. Für einen festen Sitz muss deren Durchmesser kleiner sein, als der kleinste Durchmesser der konkaven Lauffläche. Eine andere Alternative ist die Verwendung einer Möbelblockrolle für harte Böden. In die gummierte Lauffläche lässt sich eine Nut schleifen, die genau den Durchmesser des Seils haben sollte (z.B. Rolle auf Bohrmaschine spannen und mit Rundfeile einschleifen).

Die Basisplatte des Buggies dient als Halterung für den Motor, der über eine Zahnradverbindung die Achse mit der Antriebsrolle antreibt. Akkupack und Ausgleichsgewicht (z.B. eine Inliner-Rolle) balancieren die Konstruktion in der Achse quer zum Seil aus, so dass die Aufhängung für die Kamera senkrecht nach unten zeigt.

Grundsätzlich gilt es Vibrationen und Schwingungen zu vermeiden, denn jeden Wackler sieht man auf dem Video. Wichtig ist der runde Lauf der Antriebsrolle, denn jede Unwucht (oder auch unrund eingefräste Nut) lässt die Konstruktion vibrieren.

Den Stoßdämpfern kommt dabei eine nicht ganz unwichtige Rolle zu. Die Einzelradaufhängung einer Tragrolle lässt den Schlitten bei Belastungswechseln (Beschleunigen oder Bremsen) weniger stark wippen. Wegen der hohen Seilspannung musste die Originalfeder durch eine möglichst harte ausgetauscht werden. Die gab es als Tunig Teil im RC-Zubehör.

Der zweite Stoßdämpfer kommt bei der Kameraaufhängung zum Einsatz. Hier lies sich die komplette Hinterradaufhängung des Buggies verwenden, die eine Parallelogramm-Charakteristik aufweist: die Bewegung der daran befestigten Kamerahalterung (ein Regalbaubügel aus Aluminium) erfolgt so immer parallel zum Seil.

Wenn sich die Aufhängung beim Anfahren oder Anhalten aufgrund der Masseträgheit bewegt, bleibt der Horizont immer parallel zur eigentlichen Bewegungsachse. Die Dämpfung sorgt hier für ein ruhigeres Videobild, das Pendeln in Seilrichtung wird minimiert.

Remote Control Cable Cam
Die gefederte Seilrollenaufhängung soll Schwingungen eliminieren, die beim Beschleunigen entstehen. Auch die Aufhängung der Kamera ist gefedert, um die Videoaufnahme ruhig und horizontal zu halten.

Der Servo der Lenkung lies sich so einbauen, dass sich die Kameraaufhängung um ca. 45 Grad schwenken lässt. Das bringt schon einiges, gerade beim Filmen mit Weitwinkelobjektiven oder Actioncams kann man so ziemlich gut vor- und zurückschwenken.

Actioncams lassen sich mit den Standardhalterungen auf dem Bügel befestigen, für größere Cams (DSLRs oder Videokameras) eignet sich eine Universal-Klemmhalterung wie z.B. der Flymount, die sich unabhängig vom Bügel ausrichten lässt.

Als Tragseil wurde eine 100 Meter lange Reepschnur verwendet (3mm PES 200daN, ca. 20 EUR). Die Befestigung an zwei Bäumen funktioniert an einer Seite mit geknoteter Seilschlaufe und Carabiner, auf der anderen Seite mit Seilschlaufe und Spanngurt.

Zur Sicherung der Kabelkamera gegen Absturz kann ein starrer Draht verwendet werden. Nach dem Aufsetzen auf das Seil wird dieser durch eine Bohrung geführt, als Schlinge über das Seil gelegt und die beiden Enden dann verbunden. Dieser Bügel berührt das Seil im normalen Betrieb nicht, falls man aber einmal zu schnell an ein Ende der Seilstrecke heranfährt und eine Laufrolle durch den Endknoten vom Seil geworfen wird, fängt der Bügel die Cable Cam auf.

Unterm Strich hat diese Konstruktion zusammen 250 EUR gekostet. Nicht ganz billig, aber für engagierte Filmer unter euch sicher ein kalkulierbares Budget, um Video mit interessanten Perspektiven anzureichern.

Checkt das Video, dort seht ihr den ersten Testlauf der Cable Cam:

Allgemeine Tipps
Wind ist ungünstig bei Aufnahmen mit Seilkameras. Die Bewegung der Bäume, zwischen denen das Seil hängt, das Seil selbst und auch der Schlitten werden vom Wind in Bewegung gesetzt. Resultat ist eine Schaukelbewegung um die Achse des Seils, die sich so gut wie nicht eliminieren lässt.

Sucht euch möglichst dicke Baumstämme, spannt das Seil stark und beruhigt den Schlitten vor jeder neuen Fahrt per Hand.

Bei Sonnenschein solltet ihr darauf achten, dass der Schatten der Kamera nicht auf dem Video zu sehen ist. Beachtet das vor dem Spannen des Seils, denkt auch an den sich verändernden Sonnenstand im Tagesverlauf.

Ersatzakkus verlängern die Einsatzzeit beim Dreh, mit einem zweiten Fahrakku (ca. 22 EUR) kann man also doppelt so lange Filmen.

Das Seil sollte möglichst glatt sein. Eine raue Struktur sorgt für Vibrationen, genauso wie ein verdrehtes Seil. Beim Aufrollen solltet ihr es deshalb nicht mit der Hand um die Rolle wickeln - es vertwistet dabei sehr stark - sondern durch Drehen der Rolle aufwickeln. Das dauert zwar wesentlich länger, rentiert sich aber beim nächsten Einsatz.

Berücksichtigt bei der Auswahl der Seilstrecke das Gewicht des Schlittens. Das Seil wird an der Position der Kamera immer durchhängen, die Kamera kann so bei der Fahrt mit Ästen oder auch dem Boden in Berührung kommen, obwohl die Seilstrecke auf den ersten Blick perfekt gespannt aussieht.


Viel Erfolgt beim Nachbau. Comments, Fragen und Feedback könnt ihr unten posten, bzw. euer Cable Cam Projekt auch als Story an FULLFACE senden.


Update: Inzwischen kann man Cable Cams auch günstig kaufen. Wire Lite bietet eine fertige Cable Cam für GoPro und andere Action Cams an. Auch Smartphones und kleine Kameras bis zu 1,5 kg Gewicht kann die ferngesteuerte Seilkamera tragen. Die Kabelkamera ist für unter 400 Euro zu haben, checkt das Produkt bei Amazon: Wiral Lite Cable Cam*

20.05.2014 © FULLFACE  |  Text: Jürgen Schall  |  Fotos/Grafiken: Jürgen Schall